Einleitung :: Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Gedenken an die Opfer des National­sozialismus

Eine Veranstaltungs­reihe in Göttingen vom 15. Oktober 2020 bis 30. Januar 2021

Göttinger Bündnis zum Gedenken an die Opfer des National­sozialismus trauert um Esther Bejarano
In tiefer Anteilnahme nimmt das Göttinger Bündnis „27. Januar – Gedenken an die Opfer des National­sozialismus“ Abschied von Esther Bejarano (geb. Loewy). Sie verstarb am 10. Juli 2021 in ihrer Wahlheimat Hamburg und hinterlässt eine nicht zu schließende Lücke. Esther Bejarano hat als Überlebende der Konzentrations- bzw. Vernichtungslager Ravensbrück und Auschwitz-Birkenau, als mutige, unerschütterliche Zeitzeugin der Shoah und als Antifaschistin auch das Göttinger Gedenkbündnis immer wieder besucht. Sie war Stimme im VVN-BdA und Gesicht und Verstand des internationalen Auschwitz­komitees.

„Mit Esther Bejaranos Tod haben wir eine Vorkämpferin, ein Vorbild und einen nahen Menschen verloren. Unser Wirken als Bündnis ist geprägt von ihrer Überzeugung, die Verbrechen des National­sozialismus und seine Kontinuitäten nie zu vergessen. Esther Bejaranos lebenslanger antifaschistischer Kampf hat unzählige Menschen erreicht und wird dem Land fehlen“, so Agnieszka Zimowska, Regions­geschäftsführerin des DGB Südniedersachsen-Harz, stellvertretend für das Bündnis. Mit ihrem Willen, auf Generationen jüngerer erinnerungs­politisch Aktiver, auf Schüler_innen und Jugendverbände zuzugehen und mit ihnen gemeinsam über ihre Erfahrungen der Verfolgung und des Hasses zu sprechen, hat Esther Bejarano ihren eigenen, vielzitierten, Ausspruch mit Leben gefüllt und zu einer besseren, kritischeren Gesellschaft beigetragen: „Ich sage immer: Ihr seid nicht schuld an dieser schrecklichen Zeit, aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über die Geschichte wissen wollt.“

Esther Bejarano überlebte das Menschheits­verbrechen der Shoah unter anderem als Angehörige des Mädchen­orchesters von Auschwitz. Sie meldete sich als Akkordeon­spielerin, ohne dieses Instrument je vorher gespielt zu haben. Später gelang ihr die Flucht von einem der sog. national­sozialistischen Todesmärsche. Beides, die Musik und ihr Mut, blieben ihr stets Schlüssel und Zugang zu Herzen und Geist der Menschen. Bejarano ging nach dem National­sozialismus nach Israel, studierte Gesang und arbeitete u. a. als Musiklehrerin. Mit ihren Kindern Joram und Edna formte sie später die Musikgruppe „Coincidence“ und spielten über viele Jahre Lieder des Widerstandes. Gemeinsam mit Kutlu Yurtseven und Rossi Pennino von der deutsch-türkisch-italienischen Hip-Hop-Band „Microphone Mafia“ hat die Musikerin Esther Bejarano mit über 900 Auftritten in fast fünfzehn Jahren Brücken zwischen Generationen, Genres und Antifaschist_innen geschlagen und ihre politische Überzeugung vermittelt, auch in Göttingen.

Esther Bejarano nannte ihr gesellschaftliches und politisches Wirken, das sie nach der Rückkehr nach Deutschland begonnen hatte, „meine späte Rache an den Nazis“. In den Tagen nach ihrem Tod tauchte in Berlin ein antifaschistisches Wandbild auf: „Esther, wir machen weiter. Versprochen! Aber ohne Dich wird es schwerer.“ „Zeugnis abzulegen und ihre antifaschistische Überzeugung weiterzugeben, ist Esther Bejaranos bleibendes Vermächtnis. Dem sind auch wir verpflichtet. Ihre Klugheit, ihre Kraft und ihren Mut werden wir vermissen aber niemals vergessen.“, so Zimowska.

Diese Veranstaltungs­reihe ist dem Gedenken an die Opfer des National­sozialismus gewidmet. Sie dürfen nicht vergessen werden.

In den Konzentrationslagern bündelte sich die national­sozialistische Politik der Verfolgung, Entrechtung, Entwürdigung und systematischen Ermordung von Millionen Menschen. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrations­lager Auschwitz. Dieser Tag wurde zum Symbol für eine wachsame Erinnerung an die national­sozialistischen Verbrechen. Seit dem Jahr 1996 ist der 27. Januar in Deutschland offizieller „Tag des Gedenkens an die Opfer des National­sozialismus“.

Gedenken braucht mehr als einen isolierten, staatlichen Gedenktag. Darum betten wir mit unserer Veranstaltungs­reihe den Tag der Befreiung von Auschwitz in seinen historisch-politischen Zusammenhang ein. Die Eckdaten 9. November (Pogrom­nacht 1938) und 30. Januar (Ernennung Hitlers zum Kanzler 1933) sollen an Schuld und Verantwortung der Deutschen erinnern.

Gedenken braucht einen Standpunkt. Wir müssen feststellen, dass bei der Erinnerung an die Zeit des National­sozialismus heute vor allem wieder die deutschen Opfer etwa von Bombenkrieg oder Vertreibungen in den Vorder­grund gerückt werden. Wir, die VeranstalterInnen dieser Reihe, treten solcher und anderer Relativierung entgegen. Wir möchten Zeichen setzen: Gegen Gleich­gültigkeit und Vergessen. Gegen die Verharm­losung deutscher Schuld und Verant­wortung. Gegen das Fort­bestehen rechter Ideologie und rechts­extremer Aktivitäten in Alltag und Gesellschaft.

Erinnerung braucht Wissen. In dieser Reihe wird in öffentlichen Veranstaltungen der Opfer gedacht und durch Vorträge, Lesungen, Begegnungen mit ZeitzeugInnen, Diskussionsrunden, Theater- und Film­vorführungen, Konzerte, historische Stadt­rundgänge und Führungen in KZ-Gedenk­stätten eine kritische Auseinander­setzung mit der Zeit des National­sozialismus geführt.

Die Reihe wird organisiert von einem Bündnis, zu dem sich verschiedenste gesellschaftliche Initiativen und Einrichtungen zusammen­geschlossen haben.

Nähere Informationen erhalten Sie auch beim DGB Süd­nieder­sachsen/Harz unter der Nummer 0551 / 44097.


Flyer Gedenken an die Opfer des National­sozialismus
Der Flyer der Veranstaltungsreihe kann hier heruntergeladen werden.